Newsletter Oktober 2007  

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde !

Die zentrale Debatte dieser Plenarwoche ist die Aussprache über die Erklärungen des Rates und der Kommission über die Ergebnisse des Informellen Gipfels der Staats- und Regierungschefs in Lissabon in der vergangenen Woche mit der Einigung über den Reformvertrag über die Europäische Union (inoffiziell auch Grundlagenvertrag genannt) und den Reformvertrag über die Arbeitsweise der Union gewesen.

Der amtierende Ratspräsident und portugiesische Premierminister Jose Socrates, der Präsident der Kommission Jose Manuel Barroso und die überwältigende Mehrheit der Abgeordneten haben die Einigung auf die Reformverträge als einen bedeutenden Erfolg für die Europäische Union bezeichnet. Nach sechs Jahren der Debatte über eine Europäische Verfassung, zwei gescheiterten Referenden und einer langen "Denkpause" hat sich die E U doch noch als handlungsfähig erwiesen.

Mit den Reformverträgen ist ein klarer Durchbruch zu mehr Demokratie, Transparenz und Handlungsfähigkeit erreicht worden. Künftig wird das Europäische Parlament bei über 90 Prozent der Gesetzgebung gleichberechtigtes Mitentscheidungsorgan neben dem Rat sein. Der Rat wird als Mitgesetzgeber künftig öffentlich tagen und so seine Entscheidungen offen gegenüber den Bürgern rechtfertigen müssen. Durch die Verringerung der Fälle, in denen im Rat die Einstimmigkeit erforderlich ist, sowie durch die Einführung eines einfacheren Systems der Mehrheitsfindung im Rat ab 2014 (nicht mehr eine faktische 2/3-Mehrheit, sondern die Mehrheit der Staaten plus die Mehrheit der Bevölkerung) wird die Handlungsfähigkeit der Union deutlich gestärkt.

Mit den Reformverträgen wandelt sich die E U endgültig zu einer Wertegemeinschaft. Dies wird noch dadurch unterstrichen, dass die Charta der Grundrechte nunmehr für rechtsverbindlich erklärt wird.  Es ist allerdings bedauerlich, dass Großbritannien und teils Polen diese Rechtsverbindlichkeit für ihre Bürger ausgeschlossen haben, und es ist zu hoffen, dass diese sowie weitere einzelne Einschränkungen mit der Zeit fallen werden.

Alle Redner sind sich schließlich darin einig gewesen, dass es nun darauf ankommt, die Reformverträge den Bürgern aktiv zu erläutern und die Ratifikationsverfahren in den 27 Mitgliedsstaaten bis zur Europawahl 2009 erfolgreich abzuschließen.

 

Anstieg der Lebensmittelpreise

Auf Initiative der EVP-ED-Fraktion debattierte das Europäische Parlament mit der Europäischen Kommission den besorgniserregenden Anstieg der Preise für landwirtschaftliche Produkte. Das E P begrüßte die von der Kommission vorgeschlagene Entscheidung der EU-Agrarminister, die Flächenstillegung für das Jahr 2008 auszusetzen, um somit zusätzliche Getreideproduktionen zu ermöglichen. Doch forderte das Parlament vom Rat, bereits jetzt diese Maßnahme auf das Jahr 2009 zu verlängern.

Ferner forderte das E P Kommission und die Mitgliedsstaaten auf, die Unterschiede zwischen den Erzeugerpreisen und den Verbraucherpreisen sorgfältig zu analysieren und ggf. Maßnahmen zum Schutze der Verbraucher zu ergreifen. Ferner sollen die Kommission und die Mitgliedsstaaten mehr für die Förderung und Produktion der zweiten Generation von Biokraftstoffen unternehmen, auch um den Wettstreit zwischen der Energieversorgung und der Lebensmittelversorgung hinsichtlich der landwirtschaftlichen Rohprodukte abzumildern. Schließlich forderte das E P die Kommission auf, eine tief greifende Analyse der Tendenzen des Weltmarktes zu erstellen - einschließlich der steigenden Nachfrage in Entwicklungsländern -, um einen permanenten Mechanismus zur Garantie einer ausreichenden Lebensmittelversorgung zu finden.  

 

Energieversorgung und Energietechnologie

Das Europäische Parlament debattierte die langfristige Energiepolitik der Europäischen Union. Auch wenn die E U große Anstrengungen für die Förderung und den Einsatz erneuerbarer Energien verstärkt unternimmt, so werden doch auch mittel- und langfristig die Schwerpunkte der Energieerzeugung bei Öl, Erdgas und Kohle sowie bei der Kernenergie bleiben müssen. Gerade zur Erreichung der E U-Klimaschutzziele kann auf die Nutzung der CO2-freien Kernenergie nicht verzichtet werden.

Das E P plädierte für die rasche und konsequente Förderung der neuen CCS-Technologie, da mit der Technologie CCS (= Carbon Capture and Storage) der Treibhauseffekt bei mit fossilen Brennstoffen betriebenen Kraftwerken wesentlich reduziert werden kann. Die Förderung dieser sowie anderer neuer Technologien der Energieerzeugung, -speicherung und -versorgung nützt nicht nur der Europäischen Union im Inneren, sondern stärkt auch das Potential der Union beim Export unseres führenden Know-how im Energiesektor.

 

Jahresbericht 2006 des Europäischen Bürgerbeauftragten

Das Europäische Parlament debattierte ausführlich den Bericht des Europäischen Bürgerbeauftragten für das Jahr 2006. Im Jahre 2006 sind 3.830 Beschwerden beim Bürgerbeauftragten eingegangen. 3.619 Beschwerden kamen von Einzelpersonen, 211 von Vereinigungen oder Unternehmen. Für die meisten Beschwerden ist allerdings der Europäische Bürgerbeauftragte nicht zuständig gewesen, da die Beschwerden letztlich kein EU-Organ oder keine EU-Einrichtung betrafen. Gleichwohl konnte in ca. 70% der Fälle der Bürgerbeauftragte dem Beschwerdeführer insofern helfen, als er ihn an die zuständige Stelle weitervermittelte. Von den 838 Fällen, die in die Zuständigkeit des Bürgerbeauftragten fielen, wurden 449 offiziell für zulässig erklärt und mündeten in 258 Fällen in detaillierte Untersuchungen. Da die meisten Fälle mangelnde Transparenz der Europäischen Entscheidungen beinhalteten, konnte der Bürgerbeauftragte den Beschwerdeführern eine gütliche Lösung vermitteln und so Rechtsstreitigkeiten vermeiden helfen. Für nähere Information siehe seine Website: http://www.ombudsman.europa.eu