Newsletter Oktober 2005  

 
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde !

Im Mittelpunkt dieser Plenarwoche des Europäischen Parlaments hat die Debatte mit dem Präsidenten des Europäischen Rates, dem britischen Premierminister Tony Blair, über die Vorbereitungen der nächsten informellen Sitzung der 25 Staats- und Regierungschefs in der Nähe von London am 27. Oktober 2005 gestanden.

Der amtierende Ratspräsident Tony Blair hat in seiner Rede angekündigt, daß er auf diesem Gipfel zunächst einen Grundkonsens mit den anderen Staats- und Regierungschefs über die Prioritäten der künftigen Europa-Politik erzielen wolle und danach auf der nächsten offiziellen Sitzung des Europäischen Rates im Dezember 2005 eine Einigung über die Mittelfristige Finanzplanung der E U für die Jahre 2007 bis 2013 erreichen wolle.

Als künftige Schwerpunkte für die Europa-Politik hat er vorgeschlagen : 1. eine stärkere gemeinsame Forschungs- und  Entwicklungspolitik, 2. eine gemeinsame Energiepolitik - auch unter Nennung der Atomenergie, 3. eine Anhebung der Europäischen Universitäten auf    amerikanisches Niveau, 4. eine kontrollierte und offene Einwanderungspolitik und 5. eine aktive Politik zu den Auswirkungen der demographischen Entwicklung. Ferner hat er die Erforderlichkeit einer gemeinsamen Anti-Terrorismus-Politik, einer Europäischen Dienstleistungs-Richtlinie und eines neuen Globalisierungsfonds (insb. für Umschulungsmaßnahmen für Arbeitnehmer nach Firmenschließungen) betont.

Die Fraktionen des E P haben die Rede von Tony Blair mit Skepsis aufgenommen. Es ist schwer vorzustellen, wie die Staats- und Regierungschefs an einem Tag all diese Prioritäten angesichts der so unterschiedlichen Interessenlagen der 25 Mitgliedstaaten angemessen beraten können. Die Proklamierung eines Globalisierungsfonds erscheint überflüssig, da der Europäische Regionalfonds und der Europäische Sozialfonds für die Bewältigung der Folgen von wirtschaftlichen Strukturkrisen bereits existieren. Ansonsten haben die Christdemokratische EVP-ED-Fraktion und die Liberale Fraktion die marktwirtschaftliche Linie des Labour-Premierminister Tony Blair in seiner Rede eher positiv aufgenommen als die Sozialistische Fraktion, die sich gefordert gefühlt hat, vor einen möglichen Abbau von Arbeitnehmerrechten zu warnen. Entscheidend wird es aber darauf ankommen, was die britische Ratspräsidentschaft auf dem Dezember-Gipfel tatsächlich zum Abschluß bringen kann.

Erste Lesung zum Haushalt 2006

Das Europäische Parlament stimmte über den Haushaltsplan der Europäischen Union mit ihren 25 Mitgliedstaaten und 450 Millionen Unionsbürgern für das Haushaltsjahr 2006 in Erster Lesung ab. Gegenüber dem Haushaltsentwurf des Rates mit einem Zahlungsvolumen von 111,4 Milliarden Euro (= 1,01 % des Bruttonationalproduktes der Union) stockte das E P die Zahlungen auf ein Volumen von 115,4 Milliarden (= 1,04 % BNP) auf. Trotz dieser Erhöhung blieb auch das Parlament weit unter dem zulässigen Höchstbetrag von 1,27 % des BNP.

Als Vergleichszahlen sei darauf hingewiesen, daß allein der Bundeshaushalt für Deutschland mit 82 Millionen Bürgern ca. 250 Milliarden Euro und der Landeshaushalt für Hamburg mit seinen 1,7 Millionen Bürgern ca. 10 Milliarden Euro umfassen.

Mit den einzelnen Erhöhungen gegenüber dem Ratsentwurf will das Parlament insbesondere höhere Beträge für Forschung und Entwicklung, für die Förderung der Kleinen und Mittleren Unternehmen sowie für die Bildungsprogramme der E U durchsetzen. Andererseits will das E P die Beihilfen für den Anbau von Tabak in der Union um 1 Milliarde Euro kürzen. Bis zur Zweiten Lesung im Dezember 2005 werden nun Parlament und Rat – in vielen Sitzungen – versuchen, sich auf einen gemeinsamen Haushaltsplan für das Jahr 2006 zu einigen.

 

Beitrittszeitpunkte für Bulgarien und Rumänien

Das E P debattierte mit der Kommission über den Zeitpunkt für die Beitritte von Bulgarien und Rumänien zur Europäischen Union. Das Parlament hatte zwar bereits im März diesen Jahres den Beitrittsverträgen zugestimmt, doch gleichzeitig betont, daß die Beitritte von Bulgarien und Rumänien zum 1. Januar 2007 um ein Jahr verschoben werden sollten, falls die Fortschrittsberichte der Kommission zum Ergebnis kämen, daß ein oder beide Länder die Beitrittsbedingungen bis zum 1. Januar 2007 nicht erfüllen würden.

Die Europäische Kommission hat in ihren am Dienstag vorgelegten Fortschrittsberichten dargelegt, daß beide Länder weiterhin die Beitrittsbedingungen wie den Aufbau funktionierender Justiz- und Polizeisysteme, die rechtsstaatliche Behandlung von Minderheiten sowie Erfolge bei der Bekämpfung der leider weit verbreiteten Korruption noch nicht erfüllten. Sollten ein oder beide Staaten bis zum Frühjahr 2006 nicht nachweisen, daß sie diese Probleme rechtzeitig lösen könnten, werde die Kommission nicht zögern, dem Rat die Verschiebung der Beitritte zu empfehlen.  

Alle Fraktionen des E P haben in der Debatte deutlich gemacht, daß sie den Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur Union weiterhin wollten, daß die Beitrittsländer aber alle Kriterien für die Aufnahme in die Europäische Union vorweg erfüllen müßten. Dabei reiche es zudem nicht aus, die notwendigen Gesetze formal zu erlassen. Die Inhalte müßten auch praktisch in die Wirklichkeit umgesetzt werden.

Besuch des chilenischen Präsidenten

In einer Feierlichen Sitzung sprach der Präsident der Republik Chile, S.E. Ricardo Lagos, vor dem Europäischen Parlament. Besonders betonte er, daß die Europäische Union und Chile ein gemeinsames kulturelles Erbe teilten und durch ein enges historisches Band verbunden seien. Ferner bedankte sich der Präsident für die einstimmige Zustimmung des Europäischen Parlaments zu dem Assoziationsabkommen zwischen der E U und Chile aus dem Jahre 2002.