Newsletter April 2003  

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde !

Diese Plenarwoche hat im Zeichen der Debatten und Abstimmungen über die Erweiterung der Europäischen Union gestanden, insb. über die Schlußfolgerungen der Erweiterungsverhandlungen und über die zehn Beitrittsverträge (siehe zu letzteren auch die Rückseite).

Der Vertreter der amtierenden Ratspräsidentschaft, der griechische stellv. Außenminister Tassos Giannitis, der zuständige Kommissar Günter Verheugen sowie die Vorsitzenden der Fraktionen im Europäischen Parlament haben die historische Bedeutung der Zustimmung des E P zu den Beitrittsverträgen hervorgehoben. Nunmehr können die Staats- und Regierungschefs der 15 E U-Mitgliedstaaten und der 10 Beitrittsstaaten am 16. April 2003 in Athen die Beitrittsverträge unterzeichnen und den Ratifikationsprozeß in die Wege leiten. Sollten alle Staaten die Ratifizierung plangemäß vollziehen, wird die Europäische Union zum 1. Mai 2004 auf 25 Mitgliedstaaten erweitert werden.

Mit der Erweiterung der E U um die mittel- und osteuropäischen Staaten wird die willkürliche Teilung Europas am Ende des Zweiten Weltkrieges endgültig überwunden sein. Dabei ist besonders zu würdigen, daß die Beitrittsländer wie etwa Ungarn einen großen eigenständigen Beitrag zum Niederreißen des Eisernen Vorhanges geleistet haben. 

Allerdings müssen einige der Beitrittsländer noch deutliche Fortschritte in der Vorbereitung auf den Beitritt machen, um im Zeitpunkt des Beitrittes ihre gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen auch tatsächlich erfüllen zu können. So müssen etwa einige Beitrittsstaaten die Leistungsfähigkeit ihrer Verwaltungen und Gerichtssysteme noch deutlich verbessern.

Für uns Deutsche bedeutet die Erweiterung zugleich, daß Deutschland aus seiner Randlage in der Europäischen Union befreit wird und sich damit fast im Zentrum der erweiterten Union der 25 befinden wird.

                                                               

Ergebnisse der Abstimmungen zu den einzelnen Beitrittsverträgen

Beitrittsland

Ja-Stimmen

Nein-Stimmen

Enthaltungen

Republik Estland

520

22

24

Republik Lettland

522

22

24

Republik Litauen

521

22

24

Republik Polen

509

25

31

Tschechische Republik

489

39

37

Slowakische Republik

521

21

25

Republik Ungarn

522

23

23

Republik Slowenien

522

22

22

Republik Malta

521

23

23

Republik Zypern

507

29

26

 

Persönliche Erklärung zum Abstimmungsverhalten

Allen Beitrittsverträgen außer dem mit der Tschechischen Republik habe ich aus den auf der ersten Seite dargelegten Gründen mit voller Überzeugung zugestimmt. Bei dem Beitrittsvertrag mit Tschechien habe ich mich aus deutschen und Europäischen Gründen enthalten, da die Regierung und das Parlament der Tschechischen Republik nicht bereit gewesen sind, die sogenannten BeneŠ-Dekrete einschließlich des Straffreistellungsgesetzes aus den Jahren 1945/46 aufzuheben oder zumindest in anderer Weise zu korrigieren.

Die Vertreibung der deutschen und ungarischen Volksgruppen aus der ehemaligen Tschechoslowakei am Ende des Zweiten Weltkrieges sowie die pauschale Rechtfertigung der im Rahmen der Vertreibung begangenen Straftaten einschließlich Mord widersprechen den grundlegenden völkerrechtlichen Normen und sind gerade für uns Deutsche nicht hinnehmbar. Dies gilt auch aus Europäischer Sicht, da die Tschechische Republik der Europäischen Union beitreten will, die gemäß Artikel 6 des EU-Vertrages „auf den Grundsätzen ... der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit” beruht. So hatte das E P im Jahre 2002 eindeutig festgestellt, dass „ethnisch bestimmte Maßnahmen, die zur kollektiven Vertreibung und zur Zerstörung kultureller Werte führen, eklatant gegen europäische Grundwerte und die gemeinsame Rechtskultur der Europäer verstoßen”.