Newsletter Januar 2003  

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde !

Ein besonderes Ereignis dieser Plenarwoche ist die Wahl des neuen Europäischen Bürgerbeauftragten gewesen, da der bisherige Bürgerbeauftragte, Herr Jacob Söderman, zum 1. April 2003 in den Ruhestand treten wird.

Im zweiten Wahlgang hat sich in geheimer Wahl Professor Nikiforos Diamandouros mit 294 Stimmen gegen den Kandidaten der EVP-ED-Fraktion, den britischen Europaabgeordneten Roy Perry, auf den 215 Stimmen entfallen waren, durchgesetzt. Herr Diamandouros ist bisher der Bürgerbeauftragte Griechenlands und Professor für Vergleichende Politik an der Fakultät für Politikwissenschaften und Öffentliche Verwaltung der Universität Athen. Der neue Europäische Bürgerbeauftragte wird dieses Amt für die restliche Periode bis zur Neuwahl des Europäischen Parlaments im Jahre 2004 ausüben. 

Gemäß Artikel 195 des EG-Vertrages ist es die Aufgabe des Bürgerbeauftragten, Beschwerden von jedem Bürger der Union oder von jeder natürlichen oder juristischen Person mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat über Mißstände bei der Tätigkeit der Organe oder Institutionen der Gemeinschaft - mit Ausnahme des Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz in Ausübung ihrer Rechtsprechungsbefugnisse - nachzugehen. Der Bürgerbeauftragte legt dem Europäischen Parlament jährlich einen Bericht über die Ergebnisse seiner Untersuchungen vor.

In der Zeit zwischen dem 1. Januar 2000 und dem 30. November 2002 sind beim Europäischen Bürgerbeauftragten knapp 6.000 Beschwerden eingegangen, von denen ca. 30 % unter das Mandat des Bürgerbeauftragten gefallen sind. Das Ergebnis der  über 700 abgeschlossenen Untersuchungen ist u.a. : 1. über 200 Beschwerden sind dadurch erledigt worden, daß die betreffende Europäische Institution der Beschwerde abgeholfen hat, 2. in über 300 Fällen ist kein Mißstand festgestellt worden und 3. in über 100 Fällen haben die Untersuchungen zu kritischen Bemerkungen an die jeweilige Institution geführt. Zu Ihrer Information hier die Anschrift des Bürgerbeauftragten : Der Europäische Bürgerbeauftragte, 1 Avenue du Président Robert Schuman, B.P. 403, F-67001 Strasbourg Cedex.

 

Eisenbahn-Binnenmarkt zur Wiederbelebung des Eisenbahnsektors

Das Europäische Parlament beschloß die drei Richtlinien bzw. die Verordnung des  zweiten Eisenbahnpakets in wesentlich geänderten Fassungen. Grundlage dafür bildeten die folgenden vier Berichte aus dem Verkehrsausschuß :

  1. der von mir verfaßte Bericht über eine Änderungsrichtlinie zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen in der Gemeinschaft,

  2. der von der französischen linkssozialistischen Abgeordneten Sylviane Ainardi verfaßte Bericht über eine Richtlinie zur Verstärkung der Interoperabilität der Eisenbahnsysteme,

  3. der von dem belgischen liberalen Abgeordneten Dirk Sterckx verfaßte Bericht über eine Richtlinie zur Schaffung Europäischer Eisenbahnsicherheitsnormen und

  4. der von dem französischen sozialistischen Abgeordneten Gilles Savary verfaßte Bericht über eine Verordnung zur Errichtung einer Europäischen Eisenbahnagentur.

Alle Änderungen des Parlaments gegenüber den Kommissionsvorschlägen haben den gemeinsamen Nenner, eine Wiederbelebung des Eisenbahnsektors in der Union schnell und effektiv zu erreichen, und dies auf einem hohen Sicherheitsniveau für die Fahrgäste und das Eisenbahnpersonal.

Nur durch eine Revitalisierung des Eisenbahnsektors kann die Europäische Union die Zielsetzung des Weißbuches über die Europäische Verkehrspolitik verwirklichen, bis zum Jahr 2010 wieder ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Verkehrsträgern zu erlangen. Konkret bedeutet dies, insb. auf der langen und zumeist grenzüberschreitenden Strecke wieder mehr Fracht auf der Schiene statt auf der Straße und mehr Passagiere auf der Schiene statt in der Luft oder auf der Straße zu transportieren.

Für diese Zielsetzung müssen Parlament und Rat endlich zügig die optimalen Rahmenbedingungen für einen Europäischen Binnenmarkt im Eisenbahnwesen schaffen. Die bisher national ausgerichteten Schienennetze müssen für die bisherigen und für neue Eisenbahnunternehmen unionsweit geöffnet werden. Mittels Europäisch abgestimmter Normen müssen Züge die Binnengrenzen in der Union ohne Halt und Verzögerungen passieren können. Die bisher nationalen Sicherheitsstandards müssen auf einem einheitlichen und hohen europäischen Sicherheitsniveau zusammengeführt werden. Und schließlich benötigen wir eine Europäische Eisenbahnagentur, die die erforderlichen Maßnahmen hierfür engagiert und effizient voranbringt und überwacht. In einem derart gestalteten Europäischen Eisenbahnsektor wird es auch modern ausgerichteten Eisenbahnunternehmen gelingen, mittels kundenorientierter Angebote wieder mehr Fracht und mehr Passagiere auf die Schiene zu bringen.

In der Parlamentsdebatte forderten die Abgeordneten die griechische Ratspräsidentschaft auf, auf der Basis der Parlamentsentscheidungen in erster Lesung noch in diesem Frühjahr, spätestens jedoch bis zum Sommer Gemeinsame Standpunkte des Rates zu den Gesetzgebungsvorschlägen herbeizuführen, damit sich anschließend Parlament und Rat zügig auf die endgültigen Rechtsakte für die Schaffung eines Eisenbahn-Binnenmarktes einigen können.